Operationen ohne Schmerzen. Im Kantonsspital Baden betäubte sich ein OMNI-Hypnosetherapeut und SBVH-Mitglied für einen chirurgischen Eingriff mit Selbsthypnose statt Narkose. Geht das wirklich?
«Ganz erträglich» sei es gewesen: Der Aargauer Daniel Gisler liess sich im Januar 2024 ohne Narkose und Schmerzmittel operieren. Er wurde unterstützt von seiner Kollegin Lajla Tahic aus Kloten. Allein durch Hypnose überstand er, wie ein OP-Team des Kantonsspitals Baden Platten und Schrauben aus Schien- und Wadenbein herausholte. Es ist die erste Operation eines hypnotisierten Patienten in Baden, wie das Kantonsspital in seiner Pressemitteilung kommunizierte.
Vor dem Eingriff liess sich Gisler mittels eigener Hypnose-Tonaufnahmen in einen tiefen Trance-Zustand versetzen. Der 55 Jährige schloss im Herbst 2023 eine Ausbildung als Hypnosetherapeut bei der renomierten und ISO-zertifizierten Hypnose.NET GmbH / OMNI Hypnosis international ab. Speziell ist dabei die moderne OMNI-Hypnosemethode, die auf die beiden Amerikaner Gerald F. Kein, Dave Elman und den Schweizer Hansruedi Wipf sowie den englischen Arzt Dr. Esdaile zurück geht. Dr. James Esdaile entdeckte bei Operationen in Kalkutta den Zustand des hypnotischen Komas, oder auch Esdaile Zustand genannt, welcher sich durch eine absolute körperliche Schmerzfreiheit (Anästhesie) auszeichnet und daher geeignet für Operationen ist. Mit der modernen OMNI-Hypnosemethode ist dieser Zustand innert kürzester Zeit zu erreichen.
Bereits 2018 gab es in der Schweiz eine ähnliche Operation ohne Narkose und ohne Schmerzmittel, nur in Hypnose. Christian Schiermayer musste unters Skalpell: Eine Metallplatte von einer vergangenen Verletzung soll vom Knochen entfernt werden. Das Besondere dabei: Schiermayer wünscht während der Operation weder eine Narkose noch Schmerzmittel. Alleine mit Hypnose will er den Schmerz unterdrücken. An der Hirslanden Klinik St. Anna in Luzern wagt der Handchirurg Stefan Wohlgemuth das Experiment. Auch in diesem Fall war es ein OMNI-Hypnotiseur, der während der Operation für die Schmerzfreiheit sorgte.
Bei medizinischen Behandlungen kommt meistens die frühere Milton-Erickson-Hypnose zur Anwendung. Es lohnt sich also darauf zu achten nach welcher Methode (Erickson oder moderne OMNI) Hypnosetherapeuten ausgebildet worden sind, um die beste Wirksamkeit zu erreichen. Schmerzfreie Operationen komplett ohne Narkose und ohne Schmerzmittel sind in der Schweiz bislang nur von OMNI-Hypnotiseuren bekannt.
Auch wenn die erfolgreiche Operation das Ärzteteam in Baden verblüffte, ist die Hypnose bei chirurgischen Eingriffen keine neue Idee und die Medizin scheint sich nur zögerlich und langsam wieder daran zu erinnern: Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sie sich als Therapieform und Schmerzmittel in medizinischen Institutionen Europas. Dennoch fristet sie bis heute immer noch ein Nischendasein in der medizinischen Versorgung! Dadurch wird sie als wirksame-zweckmässige-wirtschaftliche WZW-Therapieform ohne medikamentöse Nebenwirkungen den Patientinnen vorenthalten.
"Hypnose wird heute als fokussierter Zustand verstanden, bei dem die Aufmerksamkeit meist nach innen gerichtet ist", sagt ein Milton-Erickson-Hypnotiseur an der Universität Freiburg. Im Körper ist dieser Zustand durch zahlreiche Veränderungen geprägt: So verlangsamen sich etwa die Hirnwellen, und gewisse Hirnnetzwerke werden anders aktiviert als im «normalen» Bewusstseinszustand. Zusätzlich verändert sich auch die Art des Informationsaustausches im Gehirn zwischen den verschiedenen Hirnarealen, also die sogenannte Konnektivität. Dies entdeckten erstmals Forscher und über 50 OMNI-Hypnotiseure an der Universität Zürich sowie an der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) in einer bahnbrechenden Studie (Hypnoscience), die Veränderungen mit verschiedenen bildgebenden Verfahren untersuchten. Im Dezember 2023 wurden die ersten Resultate im Fachjournal «Frontiers in Human Neuroscience» veröffentlicht.
Das kürzlich veröffentlichte fMRI (Funktionelle Magnetresonanztomographie) Paper zur ersten von drei Studien an der Universität Zürich „Investigating functional brain connectivity patterns associated with two hypnotic states“ liefert robuste und erstaunliche Ergebnisse wie das Gehirn mit Hypnose "umgeht".
"Diese Studie wurde so aufgebaut, dass bisherige Mankos in der Erforschung der Hypnose ausgeräumt werden können", sagen Forscher des Magnetresonanztomografie-Zentrums der PUK. Etwa durch standardisierte und ISO-zertifizierte OMNI-Hypnosemethoden und eine genügend grosse Stichprobenzahl. Neben den Veränderungen im Gehirn zeigten die Untersuchungen bei den Probanden auch eine tiefere Atemfrequenz.
Nein, Menschen in Trance können den hypnotischen Zustand jederzeit selbstständig beenden, und sie sind nicht dem Willen des Hypnotiseurs ausgeliefert. Dies gilt insbesondere für die klinische oder medizinische Hypnose, die rein zum Wohle des Patienten oder der Patientin eingesetzt werde. Auch in den zwei hypnotischen Zuständen, die in den Hypnoscience Studien untersucht wurden, zeigte sich dies. Hypnose ist ein extrem fokussierter Zustand, in welchem die hypnotisierte Person jederzeit die volle Kontrolle hat und auch jederzeit aus dem Zustand herauskommen könnte, sagen die Experten.
Bei Schmerzen und anderen somatischen Beschwerden ist die Wirksamkeit sehr gut belegt. Die Hypnose hilft etwa bei zahnärztlichen Behandlungen, indem die hypnotisierten Patienten den Schmerz umdeuten oder ihn durch Dissoziation, also eine Abspaltung der Schmerzwahrnehmung, weniger oder gar nicht mehr verarbeiten (Esdaile-Zustand). Mit der modernen OMNI-Hypnosetechnik können auch Operationen, wie etwa der Eingriff in Baden oder Luzern, ohne Narkose durchgeführt werden. Allerdings muss das auch nicht unbedingt das Ziel sein. Es ist ja auch schon ein Erfolg, wenn dank der Hypnose bereits weniger Narkosemittel benötigt werden, sagen Forscher.
Auch für die Rauchentwöhnung, Stress und psychosomatische Beschwerden ist die Wirksamkeit von Hypnose gut belegt. Die Hypnose wird sogar als Unterstützung bei der Krebstherapie verwendet. Ebenfalls wird sie erfolgreich bei psychischen Störungen eingesetzt, beispielsweise bei der Therapie von Ängsten und Depressionen. 2021 zeigte etwa ein Forschungsteam der deutschen Universität Tübingen, dass die Hypnotherapie bei Depressionen nicht weniger wirksam ist als die üblicherweise verwendete kognitive Verhaltenstherapie.
Wie stark sich Menschen hypnotisieren lassen, ist unterschiedlich. Laut Experten kann eine Person, die nicht will oder Angst davor hat, kaum in Hypnose gezwungen werden. Weiter spielen auch bestimmte Fähigkeiten, wie etwa die Kontrolle abzugeben, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und mit inneren Vorstellungen zu arbeiten, eine Rolle. In der klinischen Anwendung spielt dagegen die Hypnotisierbarkeit nur eine untergeordnete Rolle. Sie wirkt bei den allermeisten Menschen, was wahrscheinlich daran liegt, dass die Motivation und die Bereitschaft in diesem Kontext höher sind. Sie ist ja schliesslich im Interesse des Patienten.
Das im Dezember 2023 veröffentlichte fMRI (Funktionelle Magnetresonanztomographie) Paper zur ersten von drei Studien an der Universität Zürich „Investigating functional brain connectivity patterns associated with two hypnotic states“ liefert robuste und erstaunliche Ergebnisse wie das Gehirn mit Hypnose "umgeht".
Pressemitteilung Kantonsspital Baden KSB
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