Kuratiert von
Uwe Sujata
Johann Caspar Rüegg
2 Minuten Lesezeit
08 Feb
08Feb

Körper und Geist sind eng miteinander verbunden. Der Physiologe Johann Caspar Rüegg erklärt, wie Stress und negative Gefühle das Herz krank machen können - und was dagegen hilft.

Herr Professor Rüegg, Sie blicken auf eine 60-jährige Forschungserfahrung zurück. Wie hat sich die Psychosomatik in dieser Zeit entwickelt?

Als ich in den 1950er Jahren Medizin studierte, begeisterte mich – wie viele meiner Züricher Kommilitonen – von Weizsäckers Buch "Der kranke Mensch". Viktor von Weizsäcker und andere berühmte Pioniere der Psychosomatik waren der Meinung, in der "Organsprache" des Körpers drückten sich verdrängte psychische Konflikte, Nöte und Wünsche aus. Krankheit galt als eine Art Symbol. Selbst manchen Herzerkrankungen wie Angina pectoris wurde solch ein Symbolcharakter zugeschrieben man glaubte, es handle sich um eine "Flucht in die Herzkrankheit". Heute ist kaum noch von Organsprache die Rede. Vielmehr gilt die Psychosomatik als Disziplin, die auch naturwissenschaftlichen Ansprüchen genügen kann ...

Wie verändern Lebenserfahrungen, insbesondere Kindheitstraumen, aber auch chronische Schmerzen, Ängste oder Depressionen unsere Hirnstruktur? Auf welche Weise bewirken Verhaltensänderungen oder die Hypnosetherapie – „Sprechende Medizin“ – eine neuronale Umstrukturierung? Und: Wie können Gehirn und Psyche wiederum die Gesundheit unseres übrigen Körpers beeinflussen, etwa Entzündungen und die körpereigene Abwehr von Infektionen oder die Funktionen von Herz und Kreislauf?

Fragen zu den komplexen Wechselwirkungen von Psyche und Soma und zur Neuroplastizität des Gehirns stehen im Mittelpunkt des Wirkens von Johann Caspar Rüegg, der in Zürich aufwuchs, nach dem Medizinstudium beim Hirnphysiologen und Nobelpreisträger W.R. Hess seine Dissertation schrieb und in der Zeit von 1973 bis 1998 Ordinarius und Leiter des Zweiten Physiologischen Instituts der Universität Heidelberg war. Rüegg gelingt es in sehr anschaulicher Weise, die Ergebnisse der Psychophysiologie darzustellen und als solides Fundament der biologischen Voraussetzungen der Psychosomatik zu integrieren. Dieses Vorgehen trägt schliesslich insbesondere auch zu einem vertieften Verständnis der Wechselwirkungen bei, in die die mentalen Faktoren eingebunden sind.

Seine Erkenntnisse über die Physiologie und Psychosomatik chronischer Schmerzen, die psychosozialen Faktoren bei Herzerkrankungen, Psychoendokrinologie und Psychoimmunologie sind von grosser klinischer Bedeutung; sie unterstreichen die historischen Wurzeln der Psychosomatischen Medizin in der Inneren Medizin. 

Gerade auch die weiteren Beiträge zur emotional-kognitiven Interaktion und zur Bedeutung der Gedächtnisfunktion machen deutlich, in welch fruchtbarer Weise Rüeggs Überlegungen zur „psychosomatischen Transformation“ insbesondere auch zu einem Verständnis der Wechselwirkungszusammenhänge bei mentalen Störungen im engeren Sinne, z.B. bei depressiven Erkrankungen, herangezogen werden können.

Seine Werke stellen nicht nur eine ausgezeichnete Synopsis wesentlicher biologischer und neurobiologischen Befunde im Bereich psychischer Erkrankungen dar, sondern vermitteln vielmehr auch Reflektionen über deren Bedeutung für das menschliche Selbstverständnis. 

In diesem Zusammenhang wird die nachhaltige Bedeutung von Hypnose („heilende Worte“) nicht nur auch im Hinblick auf die Beeinflussung der Genexpression neuronaler Proteine und synaptischer Vernetzungen neuronaler Netzwerke betont. 

Seine Forschungen sind ein wichtiger Beitrag zur Überbrückung der Kluft zwischen einer somatisch orientierten Medizin und einem psychosomatischen Krankheitsverständnis und den damit verbunden therapeutischen Interventionen bei erkrankten Menschen.


Johann Caspar Rüegg und Uwe Sujata im Gespräch

Johann Caspar Rüegg und Uwe Sujata im Gespräch.

Kommentare
* Die E-Mail-Adresse wird nicht auf der Website veröffentlicht.